Wilhelmina sucht nen Job :
âViele Frauen werden ihr Leben lang einer GehirnwĂ€sche unterzogen, um ihre Körper zu hassenâ (Emma Thompson)
Sie hatte als Bedienung in einer Spaghettiklitsche gearbeitet, so suchte sie natĂŒrlich in der Gastronomie weiter. Heute bei âChez Patriciaâ. VorstellungsgesprĂ€ch sollte um 11.00 Uhr sein. Sie fand sich pĂŒnktlich ein, wartete aber 15 Minuten. Dann kam die Chefin persönlich. Sie können mich Partricia nennen! Und sie mich Wilhelmina. Ok, Helmi đ. Eine Bedingung möchte ich als erstes nennen: unsere Bedienung soll völlig nackt arbeiten.
Wir haben deshalb öfter einen Wechsel, zum Beispiel hat ja gerade Heike nach nur zwei Versuchen gekĂŒndigt. Wahrscheinlich schĂ€mte sie sich ihres Körpers? Das tue ich nicht, ich finde mich sogar schön. Habe schon in Topless-Bars gearbeitet, aber völlig ohne Höschen? Jaja, unsere GĂ€ste wollen ihre Fotze sehen, zumal wir keinerlei Table-Dance haben. Naja, gut, obwohl neben allgemeiner Schönheit die Fotze nicht soooo wichtig ist.
Und, soll ich den GĂ€sten zu Willen sein? Nur- wenn es Sie da unten juckt. Das klingt ja fast nach Zukunft!
Wilhelmina sucht nen Job
Könnten Sie mir, Helmi, nun bitte Ihren Körper zeigen? Wilhhelmina zog sich völlig aus. Ob Patricia nach ihr gelĂŒstete? Es schien nicht so, obwohl sie sie wohlgefĂ€llig betrachtete: FĂŒlliges dunkelbraunes Haar, leicht gelockt, schmale Schultern, mittelgrosse BrĂŒste, nicht mit Silicon geblĂ€ht, HĂŒfte und Taille grazil, der Hintern wunderbar gerundet, die Beine unbeschreiblich weiblich, im Ganzen schlank und leicht. Das Schamhaar hatte Wlhelmina sich, der allgemeinen Mode folgend, mit Waxing entfernt. Sollte sie es nicht nachwachsen lassen?
Wann könnten Sie anfangen? Jederzeit, heute abend, wennâs nötig ist. Gebongt! Bis dann um 19.00 Uhr, und einen guten Start!
Wie der erste Arbeitstag verlief Wilhelmina sucht nen Job
Es war ja eine Arbeitsnacht. Wilhelmina kam um 18.30 im âChez Patriciaâ an und bekam sogleich einen Ausziehraum mit einem Spind zugewiesen. Sie musste ja ihre PlĂŒnnen wiederfinden, konnte nicht ewig nackt bleiben. Schande! Es war eine sehr laue Nacht. Die leicht bekleidete Diana und die völlig nackte Heike hĂ€tten sich keine schönere wĂŒnschen können. Bloss sassen die beiden ja noch nicht einmal im Publikum.
Dieses musterte die neue Bedienung lĂ€ufig bis beilĂ€ufig. Es spielte die bekannte Band âKleinhirn Petibonumâ. NatĂŒrlich hatten die bei ihrer Namenswahl Asterix vor Augen. Insbesondere Obelix hatte sich ja nicht durch Denkarbeit hervorgetan. Es erklang aber nichtsdestotrotz unter Anderem der Song âThe very thought of youâ. Auch âMorire per delle ideeâ war ne gerne gehörte Ballade.
Im Ganzen verlief der Abend fĂŒr Wilhelmina gĂ€nzlich erfolgreich: die Bestellungen (insbesondere von Whiskey der teuereren Sorten) addierten sich. Im Publikum sassen zahlreiche Ehefrauen. Keiner tĂ€tschelte ihr den Hintern. Am Ende aber war sie doch ein wenig ausser Atem, die untersten ihrer Rippen traten scharf hervor.
Wie es danach fĂŒr sie warAm zweiten Tag schon bemerkte sie den schwarzhaarigen Mann mit dem grau werdenden Schnauzer. Er schaute sie voller Ernst an, als er sein GetrĂ€nk bestellte, schaute auch auf ihre Möse, aber nicht nur (Es muss dies eine Art Urinstinkt von MĂ€nnern sein. Wilhelmina sucht nen Job
âIch habe selbst einer Schaufensterpuppe mal untern Rock geschautâ, sagte mir Bernd spĂ€ter einmal). Die sternförmig angeordneten Deckenlampen spiegelten sich wie Blutstropfen in seinem Glas.
Dankenswerterweise war das Lokal voll. Wilhelmina genoss das Nacktsein, obwohl sie dabei eine innere Leichte spĂŒrte und zuweilen Angst hatte, sich zu verlieren. Mit letzter Kraft erreichte sie manchmal die KĂŒche, um zu furzen. Draussen jenseits der SchwingtĂŒr schĂ€tzen die GĂ€ste das nicht so sehr.
Auch ihre Chefin meinte, der Geruch wĂŒrde nicht zur Gastronomie passen. Pshaw! Und der Roquefort? Und die Austern? Und das Sushi? Wie stets vordem aber servierte sie die Spaghetti mit Tomatensauce, Pesto oder Rahm-Speck-Mischung bekleidet und weitgehend geruchlos.
Der schnauzbĂ€rtige Gast kam nun jeden Abend. Er musterte sie stets; seine Blicke aber waren nicht scharf und schneidend, sondern wie Samt. Sie mochte das â wie auch alle anderen â meist bewundernden â Blicke, ihn aber hatte sie besonders ins Herz geschlossen, er hĂ€tte ihr gefehlt.
Ich schreibe das alles frisch und frei nieder, es kommt aus meiner Phantasie. Halt! Vielleicht hat es sich so wirklich ereignet? Ein Bekenntnis aber von mir: den Namen âChez Patriciaâ habe ich erfundenâŠ
Geduldig wartete Wilhelmina, dass der Schnauzer sie ansprĂ€che. Das fand nach mehreren Wochen auch statt, war aber eher pflanzlich als tierisch. âWussten Sie, dass PappelblĂ€tter eine völlig silbrige Unterseite haben?â fragte er, und nicht âKönnten Sie bitte im ArbeitskostĂŒm zu mir kommen?â In der Tat erfuhr sie, dass Schnauzer viele Berge bestiegen hatte (ach, wĂŒrde er doch sie besteigen!) und fast alle Alpenblumen (bis auf den Himmelsherold) dabei in situ erlebt hatte.
Mehrere Male war er in Leukerbad gewesen und erzĂ€hlte lebhaft, wie er auf der Gemmi unter einer Sitzbank blĂŒhendes Edelweiss entdeckt hatte. Das war ja alles gut und schön, aber wie ihn auf andere Themen bringen? Es gelang ihr erst, als fast alle GĂ€ste gegangen waren und sie sich fĂŒr eine Weile an seinen Tisch setzte. Sie solle aufpassen, keinen Tabasco auf ihre nackte Haut zu bekommen, meinte er da mit leicht österreichischem Akzent (âBrenna tuats guatâ). Sie ging mit ihm heim. Die Nacht war dick mit Sternen.
Endlich bestieg er auch sie. Vorher hatte es Spaghetti Carbonara und einen Shiraz RosĂ© gegeben. Als sie kam, wurde es lĂ€rmig. Oben stöhnte sie, unten entfuhr ihr der dröhnende Furz, den sie sich so lange verkniffen hatte â ein Trommelwirbel auf der Snare-Drum ist ein Dreck dagegen! Da aber auch Bernd (ihr österreichischer Schnauzer) laut wurde, verging der Wind ungehörtâŠ
Wilhelmina sucht nen Job
Hör mal, wie kannst Du das alles so genau schildern? Es ist ja, als ob Du dabeigewesen wÀrst! Routine, Alter, Routine! Mein Freund legte die wenigen BlÀtter verwundert nieder.
Wie fast alle kamen sie danach ins Reden. Wenig wussten sie voneinander. Doch ihre Jugend stimmte ĂŒberein! Bernd (der Name hatte sie gleich elektrisiert) war tatsĂ€chlich ihr lange verloren geglaubter Bruder. Schon mit 18 war er von zu Hause ausgerissen und jede Spur von ihm hatte sich trotz der immer hĂ€ufiger benutzten AdressbĂŒcher und der neuerdings sehr effizienten Google-Suche verloren.
Und da hatten sie sich in einer schummrigen Nachtbar wiedergetroffen! Inzestverbote? Bla,bla, bla. Warum sollten Geschwister nicht miteinander ins Bett gehen, besonders angesichts der Tatsache, dass Geschwisterliebe schon immer etwas Besonderes war?
Von: Thomas Kutzli